AUSSTELLUNGEN

 

 

Ansprache Dr. Michael Becker / Schulleitung wfk

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie sehr herzlich zur Eröffnung der außergewöhnlichen Ausstellung von künstlerischen Werken von Delaram Homayouni. Sie erleben eine Synergie aus technischer Perfektion durch handwerkliche Raffinesse, flächenkompositorischen Inszenierungen und mystisch-philosophischen Sinnzusammenhängen.

Delaram entwickelt aus dem Alltagsgegenstand Baum ein eigenständiges künstlerisches Genre. Es werden zwar zuhauf Bäume gemalt, die systematische Abkehr jedoch von bloßer Abbildung verweist uns auf den Baum als geistiges Instrument der künstlerischen Schöpfung.

Der Baum als standfest verwurzelter Solitär in vertikalem Streben himmelwärts wird als Medium des energetischen Flusses zwischen Irdischem und Überirdischem erkannt, als Brücke zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem, Natürlichem und Geistigem, Bekanntem und Unbekanntem. Der Baum ist Verankerung und göttliche Aspiration zugleich. Er bleibt auf dem Boden der Tatsachen und strebt doch immer zugleich nach oben zum Licht. Er ist Vermittler zwischen Dunkelheit und Helligkeit, er ist Symbol des Lebens, in ihm manifestiert sich der Kreislauf des Lebens.

Der Baum ist für Delaram die Quelle künstlerischer Erkenntnis und Inspiration. Vor allem lernen wir, dass unser Leben dialektisch komponiert ist. Diese Lebenskompositionen stellt Delaram mit enormer Hingabe nach, sie wird selbst zur Vermittlerin zwischen Materie und Geist. Verwurzelung wird zu einem prägenden Grundthema der künstlerischen Existenz. Verwurzelung als Grundlage der künstlerischen Loslösung vom Irdischen hin zum Überirdischen, Geistigen, Autonomen. In der jüngsten Schaffensphase besteht der Baumstamm lediglich aus einer dünnen Linie, einer nur noch symbolischen Verbindung zum Materiellen, als Ausdruck der fast endgültigen Loslösung vom Bekannten, hin zu einer eigenständigen Welt des Soseins von Farbe und Form als geschütztes Residuum der puren Freude und Positivität.

Delaram Homayouni entführt uns in eine Welt der Utopie, der Vorfreude auf eine autonome Existenz in Spiel und Harmonie.

Die polyphone Stimmenführung der meisten ihrer Werke bildet die ästhetische Grundlage für die orchestrale Intonation ihrer Farb-Form-Symphonien. In ihren utopischen Welten geht es durchaus lautstark zu, ein eindringlicher Zusammenklang von Vielfalt, Freiheit, Glück und verrücktem Spiel. Delaram schafft eine Welt jenseits der aktuellen PsyOps wie Fake-Pandemien und Krieg, in der der gebeutelte Mensch von heute Zuflucht in utopischer Positivität findet.

Delaram Homayouni ist eigentlich eine Meisterin des Fotorealismus. Selbst für eingefleischte Profis der altmeisterlichen Techniken ist ihre spezielle Malmethode Neuland und eine oft kaum zu erreichende Herausforderung, was dazu führt, dass sie in ihrem Unterricht zu oft selber Hand an die Malerei ihrer Schüler anlegen muss. Es erfordert viel Geduld, Disziplin, Genauigkeit, Akribie und Gespür fürs Detail, um an eine solche technische Meisterschaft heranzukommen.

Umso erfreulicher ist ihr persönlicher Ausbruch aus dem Korsett des Fotorealismus, der zwar technisch meisterhaft, künstlerisch aber nicht selten mager ausfällt. Kunst kommt also nicht nur von Können, sondern von der Begeisterung, neue Wege der Selbstüberraschung zu betreten und das Wagnis einzugehen, sich selber als Mensch zu positionieren.

Der künstlerische Entwicklungsweg von Delaram könnte für Viele, die noch unschlüssig sind, als Vorbild dienen. Lernen Sie mit ihr in ihren beliebten Malkursen die Techniken der Malerei durch den Realismus kennen, erleben Sie das Abenteuer differenzierter Farbmischung, lernen Sie vor allem die Gesetze der Farbinteraktion, schulen Sie Ihr Auge, begeben Sie sich in einen meditativen Zustand, um dann aber nicht bei der Abbildung des Gesehenen stehen zu bleiben, sondern wie Delaram auch Ihren persönlichen Weg ins individuell Künstlerische zu beschreiten. Belegen Sie zum Beispiel ein halbes Jahr ihre Kurse zum Fotorealismus, um im Anschluss das umfassende Semesterstudium der wfk in Angriff zu nehmen.

Die Auseinandersetzung mit Kunst ist gerade in unserer heutigen Zeit wichtig, um sich über seine Rolle als Mensch Klarheit zu verschaffen. Kunst hilft, neue Möglichkeiten des Seins, des Denkens, des Wahrnehmens zu erkunden und zu realisieren. Kunst ist immer intellektuelles und emotionales Experiment. Wenn man sich auf sie einlässt, dürfte es eigentlich keine Kriege mehr geben. Ein Hohn an uns alle, wenn hochrangige Politiker im Bundestag mit dem Rücken zu den Kunstwerken zum Beispiel eines Gotthard Graubner abgelichtet werden und gleichzeitig von Kriegstauglichkeit, mehr Waffenlieferungen und sonstigen absurden Maßnahmen schwafeln, die die Menschheit ins Unglück stürzen. Sie dürften nicht mit dem Rücken zu ihnen stehen, sondern sie müssten sich durch die Kunst tief beeindrucken lassen. Dann würden sie am besten nach Hause gehen, ihr Leben überdenken und uns Menschen in Ruhe lassen. Wir sind selbst in der Lage, unser Leben zu gestalten. Die Kunst liefert uns die Utopien, die wir benötigen.

Unser Dank gilt vor allem Christel Käßmann, die zusammen mit Delaram die Konzeptualisierung und Aufbauarbeit der Ausstellung geleistet hat.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und einen tobenden Applaus für Delaram!

 

 

 

 

Wolfgang Becker